Erda

Ortsteil Erda

Erda konnte im Jahre 1971 sein 1200 jähriges Bestehen feiern und gehört somit zu den ältesten Siedlungen unserer engen Heimat. Ein Grundbesitzer namens Wanither ließ am 24. Oktober 771 eine Schenkung von zwei Tagwerk Ackerland im Gau Erdehe in der Erdeher Mark an das Kloster Lorsch urkundlich festlegen. Es existieren viele solcher Schenkungsurkunden, wie man im Lorscher Codex nachlesen kann. Doch ist heute nicht mehr genau zu ermitteln, wie groß und bedeutend der Erdagau war.

Fest jedoch steht, dass zur damaligen Zeit hier bereits ein Herrenhof bestand, zu dem 10 Huben (=300 Morgen) Land gehörten, deren Abgaben an den Hof aus alten Listen ersichtlich sind. Der Name Erda wird allgemein von Aarbach hergeleitet; in den alten Urkunden erscheint er als Erdahe oder Ardahe. Einmal werden zwei Bäche, Gemenarde und Vinarde, in der Erdaer Gemarkung erwähnt.

Um das Jahr 1000 gehörte Erda zum Centgericht Altenkirchen, das dem Bistum Speyer unterstand. 1294 und 1305 kauften die Grafen von Solms von den Herren von Bicken und Calsmunt Anteile aus den Einkünften des Gerichts, so dass etwa von diesem Zeitpunkt an das Gebiet nach und nach unter Solmsische Herrschaft kam. Daneben bestand in Erda selbst ein Vogteigericht, welches das Leschen- oder Weisengericht genannt wurde und für die Aburteilung von Vergehen der Eigenleute zuständig war. In abgewandelter Form hat dieses Gericht bis 1808 bestanden. In Zusammenhang damit bringt man den Leschenberg, einen Walddistrikt, der vielleicht in alter Zeit einmal Gerichtsort war.

In der Folgezeit, nach der Erbauung der Hohensolmser Burg, geriet Erda zwangsläufig in die Auseinandersetzungen der Grafen mit der Freien Reichsstadt Wetzlar und erlitt während den Belagerungen große Schäden. 



In solchen Notzeiten diente das Gotteshaus, dem man heute noch die Zweckbestimmung einer Wehrkirche ansieht, als letzte Zuflucht der Dorfbewohner. Die Kirche ist dem hl. Nikolaus geweiht und steht auf den Grundmauern einer alten Kapelle. Sie birgt in ihrem Inneren wertvolle Wandmalereien (wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert) und sehr schöne Holzarbeiten an der Kanzel und den Wangen des Gestühls.

Die Landgrafen von Hessen sorgten als Mitbesitzer der Ämter Königsberg und Hohensolms dafür, dass die Lehre Luthers schon frühzeitig bei uns eingeführt wurde. Doch wechselten die Solmser Gebietsherren mehrfach ihre Religion, und unsere Dörfer verblieben noch fast hundert Jahre im Bereich der Glaubenskämpfe.

Die folgenden Jahrhunderte waren hauptsächlich von großer Armut geprägt. Die verkehrsferne Lage verhinderte alle Möglichkeiten eines gewinnbringenden Unternehmens. Landwirtschaft und Handwerk blieben die einzigen Erwerbsquellen. Der Boden, der nur in günstigen Tallagen etwas Löß aufweist, besteht im hügeligen Gelände aus Gesteins- und Schieferschichten, auf denen nicht viel gedeiht.

An die Notzeiten der Landwirtschaft erinnerte der “Hagelschlagtag”, der lange Zeit am 2. September mit den Gemeinden Wilsbach und Roßbach begangen wurde. Im Jahre 1771 vernichtete ein furchtbares Unwetter die gesamte Ernte. Die Dorfbewohner erblickten darin ein Strafgericht Gottes und beschlossen, diesen Tag als Feiertag zu halten.

Als im vorigen Jahrhundert die Naturalwirtschaft mehr und mehr von der Münzwährung verdrängt wurde, mussten die Männer auswärts nach einem Verdienst suchen. Sie verdingten sich im Herbst auf den großen Höfen der Wetterau und des Rheingaues als Drescher. Die “Erdaer Drescher” waren dort ein feststehender Begriff. Später arbeiteten sie in den Hüttenwerken des Siegerlandes. Eine geringe Einnahme für die Frauen bot die Haarfabrik, die sich aber später wieder auflöste. Seit 1905 bis März 1991 bestand eine Niederlassung der Zigarrenfabrik Rinn und Cloos, wo viele Frauen und Mädchen in Fabrik- oder Heimarbeit ihr Geld verdienten. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wanderten etliche Erdaer Familien nach Amerika aus, weil sie glaubten, in der neuen Welt das große Glück zu finden.

Der wirtschaftliche Aufstieg nach der Währungsreform hat in Erda eine völlig neue Situation geschaffen. Nach einem kurzen Versuch, die Landwirtschaft der kleinbäuerlichen Betriebe zu modernisieren, wurde die Bodennutzung teilweise aufgegeben. Man fand in der Stadt einen lohnenderen Arbeitsplatz. Nur die einstmals zahlreichen Handwerker betrieben ihr Gewerbe im Ort selbst.